
Amrumer Schiffahrts AG
Die Familie Jacobs stammt von der Hallig Langeneß. In mehreren Generationen führte sie mit kleineren Einheiten nicht nur den Ausflugs-, sondern auch den wichtigen Versorgungsverkehr zu den Halligen durch, leistete Pionierarbeit und wurde zu einem Grundpfeiler der Halligversorgung. Bereits im Jahr 1905 wurden erste Versorgungsfahrten der Halligen mit einem kleinen Boot von Großvater Jacobs durchgeführt. Sohn Hans Jacobs erwarb den Segler STURMVOGEL und führte diese fort. Zwischen 1924 und 1927 kaufte er die weiteren Einheiten AMANDA und HILLIGENLEI. Mit diesen beiden Schiffen wurden vermehrt auch Ausflugsfahrten vom Festland zu den Halligen durchgeführt. Die Fahrten wurden trotz des damals noch sehr geringen Tourismus gut angenommen, sodass bereits 1935 eine neue und für 70 Passagiere ausgelegte größere HILLIGENLEI angeschafft wurde, die 1944 durch die Kriegsmarine beschlagnahmt wurde und im Kriegseinsatz sank.
Hans‘ Sohn August Jacobs, Firmengründer der Amrumer Schiffahrts AG, siedelte nach dem Zweiten Weltkrieg nach Amrum über. 1948 erwarb er von der britischen Besatzungsmacht ein ehemaliges Flugsicherungsboot der Kriegsmarine, ließ es zum Ausflugsschiff umbauten und taufte es AMBRONIA. Damit war der Schritt in die Selbstständigkleit getan. Mit diesem Schiff führte Jacobs Ausflugsfahrten ab Amrum durch, u.a. zur noch nicht freigegebenen Insel Helgoland. 1950 begann der Linienverkehr von Amrum über Langeneß und Hooge nach Bongsiel. Bereits drei Jahre nach dem Erwerb der AMBRONIA wurde von Vater Hans Jacobs 1951 eine neue HILLIGENLEI in Auftrag gegeben, um den Linien- und Ausflugsverkehr zu verstärken. In Folge der Eindeichung des Hauke-Haien-Kooges wechselte der Ausgangshafen auf dem Festland 1959 von Bongsiel nach Schlüttsiel.
Die Amrumer waren durch den Fährbetrieb der Wyker Dampfschiffsreederei auf der Strecke von Wittdün nach Dagebüll zwar ausreichend an das Festland angebunden, dennoch bestand großes Interesse an einer eigenen Schiffahrtslinie. Mit einem Gründungskapital von 120000 DM sollte in Hamburg ein Schiff für den Liniendienst von Schlüttsiel über die Halligen nach Amrum erworben werden. Auf der Gründungssitzung der Amrumer Schiffahrts AG am 07.02.1960 wurde das Aktienkapital allerdings nicht vollständog gezeichnet, sodass der Ankauf misslang. Stattdessen konnte dennoch ein Neubau in Auftrag gegeben werden, die 1960 in Büsum gebaute AMRUM (1960). Mit diesem Schiff erbrachte die ASAG u.a. durch unermütliche Versorgungsfahrten während der Sturmflut 1962 den Beweis, dass sie neben der W.D.R. eine Daseinsberechtigung hatte, auch wenn die Fahrgastzahlen vor allem im Winter einen profitablen Betrieb sehr erschwerten. Auch das Frachtgeschäft mit dem Frachter KRABBE konnte daran keine maßgebliche Änderung herbeiführen. Mit der stetigen Entwicklung des Autoverkehrs und dem Einsatz von Autofähren durch die W.D.R. musste auch die ASAG schritthalten und mit finanzieller Unterstützung u.a. durch die Stadt Husum konnte der Bau einer eigenen Autofähre, der AMRUM (1968), gewährleistet werden. Im Gegenzug sollte die bisherige AMRUM das Ausflugsangebot von Husum zu den Halligen erweitern. Das Schiff wurde in STADT HUSUM umbenannt und wechselte auf diese Route. Die KRABBE und die AMBRONIA wurden verkauft und der Transport von LKW über Schlüttsiel nahm Fahrt auf. Dennoch war die ASAG auf finanzielle Unterstützung der Kreise Südtondern und Husum angwiesen. Beide wurden schließlich sogar Hauptaktionäre, um die finanziellen Verluste aufzufangen.
Da die ASAG de facto kurz vor einer Insolvenz stand, fanden Fusionsverhandlungen mit dem Konkurrenten statt: Am 15.01.1971 wurde die Amrumer Schiffahrts AG in die Wyker Dampfschiffs-Reederei Föhr-Amrum GmbH eingegliedert. Seither trägt die W.D.R. den Zusatz „Föhr-Amrum GmbH“ und auch die Flagge der ASAG fand Eingang in die Reederiflagge der W.D.R. Das Personal der ASAG wie auch die drei Schiffe HILLIGENLEI, AMRUM und STADT HUSUM wurden übernommen und verblieben zunächst auf ihren angestammten Routen. August Jacobs wurde Kapitän bei der W.D.R. und ging im Oktober 1983 offiziell in den Ruhestand.
Quellen: Gert Uwe Detlefsen (1985) 1885 – 1985. 100 Jahre Wyker Dampfschiffs-Reederei Föhr Amrum GmbH. Chronik einer Inselreederei, S. 133-139; Jan Mordhorst (2010) Wyker Dampfschiffs-Reederei Föhr-Amrum GmbH. 1885 – 2010, S. 116-124.